Für Impressionen war keine Zeit. Kaum
stand ich nach Anreise aus Bremen auf dem Teakholzdeck der Pamir, knurrte mich
und meine mitgereisten Kollegen der alte, knorrige Bootsmann an: „Lasst eure Sachen hier liegen und tragt die
Säcke unter die Back“, war die freundliche Begrüßung. Ein Dutzend Säcke
lagen auf dem Rand der Ladeluke, für jeden vier. Von hier zur Back waren es
gerade mal 20 Meter. Also hoppla, Sack
geschultert und los - doch was für ein
Gewicht!
Am liebsten hätte ich die Last gleich
wieder abgeworfen, aber sollte mich der
Bootsmann schon am 1. Tag für einen Schwächling halten? Nein, auf keinen
Fall! So schleppte ich mein Kreuz mit
zusammengebissenen Zähnen und weiß seitdem, dass schwere Säcke zu schultern
nicht mein Ding ist. Der erste Tag auf
der Pamir war in jeder Hinsicht überwältigend. Ein richtiger Bootsmann hatte
mit uns gesprochen. Die Sonne schien prächtig im Hamburger Hafen, als wir
Neuankömmlinge vom „Schulschiff Deutschland“ aus Bremen gegen 12:00 Uhr die
Gangway erklommen hatten und schnell in
die hierarchische Berufswelt aufgenommen wurden. Dass es so kommen könnte, ahnte ich 24
Stunden vorher noch nicht. Gerechnet von 18. April 1955 an, hatte ich an einem
„Vorausbildungslehrgang an Bord des Schulschiffes“ teilgenommen und ein Examen
nach drei Monaten Ausbildung ablegen müssen. Das wäre eng geworden, denn der Stoff einiger Unterrichts-Gebiete ist mir bis heute fremd
geblieben. Doch am Mittwoch, den 22. Juni 1955, wurden plötzlich fünf von uns
zum Leiter der Schiffsjungenschule
beordert. „Packt eure Sachen! Ihr
seid bis morgen um 11 Uhr in Hamburg auf der Pamir! Verstanden?“. In meinem
Seefahrtsbuch heißt es lapidar:
„Arnd hat am
Vorausbildungslehrgang 2 Monate
und 8 Tage mit
Erfolg teilgenommen! gez. Kapitän“.
Solche Prüfungen und Leistungsergebnisse wünschte ich mir auch für die
Zukunft.
An
diesem Tag reisten alle Besatzungsmitglieder an. Von der Stammbesatzung, die
schon die Südamerikareise vom Februar bis Juni 1955 mitgemacht hatte, kamen die
Landgänger oder Kurzurlauber zurück.
Manche
wussten schon seit vielen Wochen, dass sie auf der Pamir fahren würden, während
für mich bis gestern eine zwei jährige Heuer auf einem Küstenmotorschiff um Kuba herum in Aussicht gestanden hatte.
Cuba-Libre
und Cha-Cha-Cha hätten mich sicherlich schnell zu einem richtigen Seemann
gemacht. Ganz locker soll das Leben in Havanna sein. Die Aussicht darauf war
futsch. Für einen 16jährigen war die Pamir dann doch irgendwie solider und ein
großer Traum ohnehin. Bald waren die Neulinge von diversen Schiffsjungenschulen
beisammen, immerhin vier Dutzend. Die übrige Besatzung summierte sich zu
weiteren drei Dutzend Mann. Es wurde viel erklärt, und man verstand immer nur
Bahnhof. Schließlich lag man in der Hängematte,
und wenn man müde ist, schläft man auch mit krummem Kreuz ganz tief.
Die
Zeit bis zum Auslaufen war hektisch. Plötzlich war man in eine der vier Wachen
eingeteilt, eine Wache ein Dutzend Azubis. Je zwei Wachen wurden im
Achterschiff in einen Raum auf Backbord und einem Raum auf Steuerbord
untergebracht. Es waren die Schlafräume, die ohne Hängematten das
Tageswohnquartier waren. Entlang der Innenwände waren Kleinstschränke
angebracht, von dem man einen „für Alles“ (alle Klamotten waren darin
unterzubringen) bekam, und für den Wohnkomfort holte man Tische und Bänke
(Tapeziertischdesign) von der Decke.
Hier werden wir speisen. Für alles war wenig Zeit. Alle fieberten dem Auslaufen
entgegen. Die Ladung war schon an Bord: Kohle nach Brasilien. Noch musste dies
und das geschleppt und verstaut werden, bis es endlich hieß: „Leinen los vorne und achtern“. Lotse und
Schlepper brachten uns in Sichtweite der
Landungsbrücken. Von dort wurde fleißig gewunken. Wir winkten und tuteten
zurück. Bis hinter Wedel ging das so. So etwas Aufregendes kann seekrank
machen. Bei Glückstadt, nach gerade mal 4 Stunden Seereise auf der Elbe, kotzte
ich zum Gotterbarmen unter Deck in eine stille Ecke. Mit großem Eifer
beseitigte ich die Spuren in aller Eile, um vorhersehbare Kommentare der
anderen zu vermeiden.
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