Bericht 16: Benny Goodman in Concert - Pfeifen macht’s möglich.

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Dass wir gestern Abend Benny Goodman’s Klarinette zu hören bekamen, ist eine Geschichte, die mit Aberglauben zu tun hat. Wenige von uns Decksjungen waren abergläubisch. Wenige scherte es, welche Marotten andere hatten. Doch über eine wurden wir sofort nachdrücklich belehrt: Der Kapitän duldet kein Pfeifen an Bord! Keinerlei.

Nur die Trillerpfeife des Wachoffiziers war gestattet.  Der Kapitän befürchtete, dass jeder Ton, der mit dem Pfeifen des Windes in den Masten in Konkurrenz stehen konnte, die Elemente auf dumme Gedanken bringen und den Wind ganz einschlafen oder in Orkanstärke in die Segel einfallen lassen könnte. Als Strafe war aber nicht mehr Kielholen, wie vor 100 Jahren vorgesehen, d.h. an Backbordseite ins Wasser geworfen und unter dem Schiffskiel mit einer Leines um den Bauch, auf die Steuerbordseite gezogen zu werden, sondern ein kaum milderes Prozedere.   

Jetzt musste der Delinquent eine Wache lang jede Stunde drei Mal vom Deck bis zur Royal Rah, in rund 50 Meter Höhe klettern und die restlichen 45 Minuten oben Ausguck halten -  bei jedem Wetter. Bei Zeitüberschreitung war eine volle Wiederholung fällig.  Die Furcht war gewaltig, so einer Prozedur ausgesetzt zu werden.

 



 Alle hatten sich bisher daran gehalten, doch nur einen halben Tag vor Bahia Blanca stürzte der Kapitän an Deck und brüllte Erwin an:  „Du hast gepfiffen! Schon nach dem Auslaufen von Paranagua und jetzt wieder! Das hat uns den Pampero vor der Küste von Uruguay eingebracht und wird uns jetzt erneut ein Ungemach bescheren. Die vier Stunden Prozedur wird sofort angetreten, damit der Wind und die Elemente uns geneigt bleiben!“.

Erwin, ein sehr ruhiger Typ, schien zutiefst betroffen und stotterte, dass er nicht gepfiffen, sondern Klarinette gespielt habe.

Nun stotterte der Kapitän, dass er so etwas Blödes wohl noch nie gehört habe und wo denn das Instrument sei?

Da strahlte Erwin und sagte, das brauche er nicht, um die Klarinette aus dem Mozartkonzert klanggetreu zu präsentieren, und zwar so gut, wie Benny Goodman es auf Schallplatten eingespielt habe.

Jetzt lief der Kapitän rot an und schien gleich zu platzen, als sich der Wachhabende einschaltete und bestätigte, dass es sich bei den von Erwin abgegebenen Tönen um die perfekte Wiedergabe des Klarinettensolos handele. Aus diesem Grunde hätte er, der Wachhabende, keine Einwände erhoben und  Erwin gewähren lassen. Das verblüffte unseren Kapitän vollkommen. Er fragte, ob das noch jemand so sehe wie der Wachhabende. Keiner sagte ja, keiner sagte nein, aber einige meinten, ausschließen könne man es nicht und  es sei ein typischer Fall: In dubio pro reo!

 Der Kapitän legte die Stirn in Falten, sah Erwin scharf an und sprach: „Wenn Du versprichst, auf diesem Schiff nie wieder den Benny zu geben, biete ich dir bei der nächsten Gelegenheit an, dein Können unter Beweis zu stellen, und zwar mit einem Konzert vor der gesamten Mannschaft auf Luke 3. Stellt sich aber heraus, dass ich hier verhohnepiepelt wurde, ist das Strafprozedere zweimal fällig!“.

 Erwin wurde blass, quetschte ein JA heraus und trotte von dannen, wir anderen unter großer Erleichterung auch.

Vor zwei Tagen nach unserer Segelshow vor St. Helena und weil wir die Mallungen. mit wenig Winde erreicht hatten, machte die Nachricht die Runde, Erwin sei aufgefordet worden sein Konzert in zwei Stunden, nach dem Abendessen, zu geben.  Wir versammelten uns alle kurz vor Sonnenuntergang an und um die Luke 3. Wir hörten zunächst eine kurze Einführung von Erwins erstem Unterstützer, dem II. Steuermann. Dann Legte Erwin los.

Erwin brachte tatsächlich schöne, melodische Tonfolgen hervor über eine lange Zeit. Inwieweit  es sich dabei immer um klassische Benny Goodman Soli aus dem Klarinettebn Konzert handelte, blieb mir – und wahrscheinlich auch den anderen - verborgen. aber alle hörten, das Erwin den Klang eine Blasinstruments wiedergab und es kein Pfeifen war. Großer und anhaltender Applaus wurde Erwin gespendet. Eine Zugabe gab es nicht. Er bedankte sich artig und sagte dann laut und deutlich: „In Hamburg bin ich weg!“.

 Schade, wohl viele hätten gern mehr von Erwins Können gehört.





 

 

 


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