Bis
Hamburg wollte ich eigentlich nicht mehr schreiben, denn ich erwartete viel
Arbeit, ein flottes Vorankommen und viele nasse und kalte Tage, nachdem wir
letzte Woche den Äquator überquert und die Breite von Bermuda erreicht hatten.
Von hier wollten wir, sobald die Westwinddrift erreicht war, zügig gen Osten
segeln. Doch bevor es dazu kam, gab es gestern
große Aufregung und Hektik.
In der
Mittagspause erscholl plötzlich der Ruf:
„Alle Mann an Deck“. Und dann die Order:
„Alle Segel bergen“. Für ein „warum“ und „wieso“ blieb keine Zeit. Auch ohne
Erklärung spürte man Ungewöhnliches: Das Schiff drehte sich um sich selbst.
Der Kapitän stutzte und schrie dann den
Wachhabenden an: „Sehen Sie doch! Was für
ein großer Wirbel! Wenn der schneller wird und einen Tiefenwirbel bildet, wird
es eng für uns. Wir müssen hier raus“.
Nun
guckten wir genauer aufs Meer und, wie wenn in einem Waschbecken dessen Stöpsel
gezogen wird und das Wasser über dem Abfluss strudelt, so war es jetzt auch
hier. Es war plötzlich allen klar, dass wir das Bermudadreieck erreicht hatten.
War an den Stories von plötzlich verschwundenen Schiffen doch was dran?
Richtig
cool war nur der Kapitän: „Wir müssen hier raus. Wind gibt es erst ab 100
Meter Höhe. Den müssen wir nutzen, und zwar so:
Wir haben noch Wetterballons. Sofort mit Gas füllen. Das Focksegel auf
die Back bringen. An jeder Segelecke ein Seil von 30 Meter Länge anbringen und
die vier Tauwerke am anderen Ende verbinden, zusammen mit einem 220 Meter
langen Drahtseil. Dann werden fünf Wetterballons an dem Focksegeloberliek
befestigt, die das Segel hoffentlich bis in die Windregion über uns heben, wo
die Fock sich aufbläst und dann funktioniert wie ein Papierdrachen. Der zieht
uns dann hier raus.“.
Trotz großer
Hektik wurde konzentriert gearbeitet. Selbst die Maschinisten schleppten die
Gasflaschen vom Maschinenraum unter der Poop auf die Back. Jeder, der über die
Reling schaute, erkannte den riesigen Seestrudel um uns herum und unsere
Hilflosigkeit. Die Kommandos und das Arbeitstempo potenzierten sich gewaltig.
Waren
es 10 oder 20 Minuten, ich weiß es nicht, dann war alles zum Start des
Skysegels bereit. Auf Kommando wurden die Wetterballons freigelassen. Langsam
zogen sie die Fock in den Himmel. An dem Seiten- und dem Fußliek wurde gezerrt
und gezogen, um ein Verhaken mit unserer Takelage zu verhindern. Mit
atemberaubender Langsamkeit stieg die Fock höher und höher. Wann würde die
Windzone erreicht sein, und würde dann das Segel zu unserem Zugdrachen werden?
Es waren wahrscheinlich nur Minuten, aber für mich dauerte es eine Ewigkeit,
bis die Fock sich leicht blähte und schneller wurde als die Pamir. Vorsichtig
wurde Balance gehalten zwischen der windgefüllten Fock, bis das Segel rund 180
Meter vor uns war. Das war der Moment, das Zugseil auf der Back zu belegen, um
damit den Drachen zu unserem Schlepper zu machen.
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Schnell
nahmen wir 2-3 Knoten Fahrt auf und konnten uns erschöpft den riesigen
Wasserwirbel anschauen und beruhigt feststellen, dass wir uns vom Zentrum des Wirbels
entfernten.
Unser
Himmelsegel hielt himmlisch. Bald wurden wir mit fast 5 Knoten Geschwindigkeit
gezogen, immer in die Höhenwindrichtung. Alleine das Segel und der Wind
bestimmten unsere Fahrt, völlig ohne unsere Kontrolle.
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Als wir den
Wasserwirbel nicht mehr sehen konnten, der uns, wie vielleicht anderen Schiffen
vor uns, den Untergang hätte bereiten können, gab der Kapitän das Kommando: „Let go!“ Die Skysegelverbindung wurde losgeworfen. Die
Fock stieg etwas, flog schneller und verschwand in einer Wolkenwand. Auf die
Frage des III. Offiziers, warum wir nicht häufiger Sky-segeln würden, hörte ich den Kapitän sagen: „Fock weg, Leinen weg. Ballons weg. Das ist
zu teuer.“.
PAMIR – 1930, Clip 7
Ludwig
van Beethoven
Symphony
No 2, D-major, op 36
Allegro
molto(~6:40m)
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