Die ersten Tage auf
See waren die Lerntage für das Jungvolk. Zunächst wurde jeder in die 55 Meter
hohen Masten geschickt, um seiner Heimat noch einmal zuzuwinken und Tschüss zu
sagen. Das machten alle gerne. Trotz
leichter Brise hing danach aber an Deck ein schwacher Duft zwischen den
Wanten, der solchem ‚wie in die Hose gemacht’ gleich kam.
Dann ging es an Deck los, sich mit 20 Kilometer Tau- und
Drahtseilen vertraut zu machen. Dazu gab
es allerlei Zubehör mit seltsamen Namen wie Nagelblöcke oder Brassen und
überall waren Wanten, Stage und Pardunen, die Masten und Segel halten sollten.
Zum Bedienen der Segel wurden Hände und Winschen eingesetzt. Alle Anordnungen
zur Segelbedienung sollte man behalten und auf Weisung ziehen oder belegen. Gezogen wurden häufig
von mehreren. Der Vorderste in der Reihe sagte: „Los“ und bestimmte den Rhythmus
mit Gesang:
„Ha-hee-ho,
das Segel muss jetzt hoch,
es ist so kurz wie ein Rock,
da arbeitet selbst ein fauler Bock,
Ha-hee-ho, das Segel ist in Position.“
Dann
wurde das Tau auf einem Koffeenagel belegt. Pro Segel gibt es ca. acht, pro Mast ca. 50 und auf dem ganzen
Schiff wohl 180 Koffeenägel, 20 % davon aus Eisen für die Schoten, die anderen
80% aus Holz, für die Gaitaue, damit man sich in der Nacht besser orientieren
konnte. Alle, die bis 5 zählen konnten, hatten damit keine Schwierigkeiten: Royal Rah - einmal Eisen, dreimal Holz; Oberbram Rah - einmal Eisen, dreimal Holz,
usw., Unterbram, Ober Mars, Unter Mars und schließlich für die unterste Rah, die
Fock-, Groß- oder Kreuz Rah je nach dem Namen des Mastes.
Für den Lernprozess
war es besonders hilfreich, während der Nachtfahrt durch die Strasse von Dover
ganz dicht an den 100 Meter hohen weißen Kreidefelsen vorbeizufahren. Die weiße
Steilküste strahlte hell durch die Nacht. Mit bloßem Auge konnte man den
Unterschied zwischen einem Eisen- und Holzkoffeenagel erkennen. Außerdem waren
viele Touristen auf den Klippen: Sie winkten mit Fackeln und Lampen den vielen
vorbeifahrenden Schiffen freundlich zu. Wir erwiderten diese Geste mit dem
Blinken unserer Positionslampen dankend und herzlich.
Alle waren so beschäftigt, dass insbesondere die Anfänger
in Aufregung gerieten, als die Pamir unter frischer Brise den Ausgang des
Englischen Kanals und damit die letzte Postboje erreichte. Schnell beschaffte
man sich vom Steward gegen ein geringes Entgelt Postkarte oder Briefpapier, vom
Funker das Postwertzeichen und drückte das Schnellgeschriebene dem III.
Offizier in die Hand, der das Briefbündel mit geübten Schwung in den großen
Trichter der Posttonne werfen sollte. Alle, die zugeschaut hatten, sagten aus,
dass der Wurf gelungen sei. Nur wusste keiner, ob die nächste wöchentliche
Leerung von den Franzosen oder den Engländern erfolgen würde. Egal, Hauptsache,
die Heimat wusste, dass man es bis in den Nordatlantik geschafft hatte. Der
Poststempel würde ausweisen, ob der Brief aus Frankreich oder England gekommen
war.
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