Vor
drei Tagen sind wir in Brake an der Weser eingelaufen. Die ganze Zeit war mit
Arbeit ausgefüllt gewesen. Vorgestern ging es aber abends noch an Land und in die Walfischbar am Deich, wo mir die
Wirtin, kaum hatte ich auf eine Frage von ihr geantwortet, doch glatt ins
Gesicht sagte: „Hör mal, du Grünschnabel,
kannst du noch was anderes, als uns hier Lügen aufzutischen?“
Daraufhin habe ich
mit ihr an diesem Abend kein Wort mehr gesprochen, denn was ich zur Wirtin gesagt hatte, war die reine Wahrheit.
Daraufhin fragte einer der mitanwesenden Kollegen, ob wir unser Lied anstimmen
sollten, um zu zeigen, was wir können.
Dazu
muss ich kurz die Geschichte erzählen, die vor 5 Tagen begann, als wir noch auf
der Höhe vom Feuerschiff Borkum waren.
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Es war nächtens sehr
kalt, sehr nass, und alle Mann waren an Deck. Ich fror seit Stunden, war seit
Stunden müde und seit Tagen durch und durch klamm. Da kam nur eine Lösung in
Betracht: Sich unerlaubt verdrücken.
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Etwas geübt war ich darin schon, wie andere auch, mich nämlich im Kartoffelschapp zu verkriechen, wo jetzt nur
noch leere Kartoffelsäcke lagen. Zwischen diesen suchte ich Schutz vor den
Unbilden der düsteren Welt. Noch bevor ich zwischen Säcken tief und fest
einschlief, bemerkte ein Neuankömmling: „Hier stinkt es aber mächtig nach
Parfum“. Doch das kam nur noch im Halbschlaf bei mir an.
Erst auf der Weser wachte
ich wieder auf und nahm den Parfumgeruch wahr. Da dämmerte es mir: Die
Schiffsführung hatte das Zeug in Mengen verschüttet, um Drückeberger zu
identifizieren! Das war ein Schock! Wie lange würde ich unerkannt bleiben? Doch
niemand kam und roch an mir oder anderen herum. Zu abgelenkt waren alle durch
die Weserfahrt und das Festmachen an der Hafenanlage in Brake an der
Unterweser.
So begab ich mich – zusammen mit einem Dutzend Kollegen -
noch am Einlaufabend in die Walfischbar am Deich. Als dann plötzlich die Wirtin
vor mir stand, da blaffte sie mich auch sogleich an: „Du verbreitest hier einen fürchterlichen Veilchenduft, sodass ich
fragen muss, mit wem hast du denn geschlafen?“. Leicht irritiert sagte ich
etwas stotternd wahrheitsgemäß: „Mit Kartoffelsäcken“, und das brachte mir den
Vorwurf eines lügenden Grünschnabels ein, woraus sich die Gelegenheit ergab unseren
„Pamir Song“ zu singen: Don’t cry for me
Argentina. Schon nach der zweiten Strophe sangen andere Gäste mit, im Laufe
des Abends alle, einschließlich der Wirtin. Das Lied war toll angekommen.
Sei’s
drum. Die Wahrheit ist für Landratten manchmal verschroben. Das will ich mir
für meine kommenden Urlaubstage merken.
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