In
den ersten 12 Stunden meines einwöchigen Urlaubs wurde ich mit haarsträubenden
Behauptungen konfrontiert. Zunächst war ein Kurzbesuch beim Kapitän der
Schiffsjungenschule in Bremen dran. Als ich ihm im hinteren Schiffsgang des
„Segelschulschiffs Deutschland“ entgegen ging,
begrüßte er mich mit den Worten: „Du hast ja schon einen richtigen
Seemannsgang“. Das mag er zwar so gesehen haben, aber die Wahrheit war eine
andere.
Kaum
hatte ich den Zug nach Hamburg bestiegen, kam ich ins Gespräch mit einem ca.
40-jährigen Mann. „Pamir“, fragte er, „da war ich auch drauf als 15-jähriger
vor 25 Jahren“. Und nun erzählte er, dass über die Reise von Hamburg nach
Talcahuano in Chile in 115 Tagen der Journalist und Dokumentarfilmer Heinrich
Hauser ein tolles Buch geschrieben habe.
Auf dieser Reise seien allein drei Maaten der 23-köpfigen Besatzung aus mehr
als 25 Meter Höhe abgestürzt, ein Leichtmatrose tot.
Ein Leichtmatrose fiel vor Montevideo aus dem Fockstag
mit Kiefer- und Armbruch. Und beim Absturz des dritten, eines Matrosen, hätten
wohl Engel ihn heruntergetragen, denn sein Oberkörper sei auf „außenbords
ausgespannte Brasstaue gefallen“, die seine Verletzungen auf ein paar Beulen beschränkten.
Nur Armbinden mußte er noch
tragen.
Der Heinrich Hauser Film 1930 (mittlere Box)
Doch für die Segelbedienung wurde es eng: Denn bei zwei Janmaaten war es
bereits zu Armbrüchen gekommen und drei weitere waren zu krank, um die Koje zu
verlassen. Nun gab es pro Wache nur noch 2-3 Mann. Bei uns bestand jede der
vier Wachen aus rund 15 Mann.
Als
der Mann dann noch von seiner Arbeitsunfähigkeit vor Kap Horn wegen eines
schweren Unterschenkel-Geschwürs erzählte,
platzte ich mit der Bemerkung heraus, dass Geschwüre mitunter interessante
Eindrücke hinterlassen könnten, wie z.B. beim
Kapitän der Schiffsjungenschule vor einer Stunde, der bei mir einen richtigen
Seemannsgang beobachtet haben wollte. Das sei natürlich Quatsch gewesen, denn
an der Innenseite des linken Oberschenkels hätte ich ein Geschwür, das mich zum
Watscheln zwinge. „Ach nee, ist das wahr?“ fragte der Mann, und er schenkte mir
dann mehrere Fotos, die er in Talcahuano bekommen habe. Und dann
verabschiedeten wir uns nach der Ankunft in Hamburg.
Und
weiter ging es nach Norden, zu einer kleinen
Stadt mit Meereszugang im Osten und dann zu einem kleinen
Bahnhof im Westen. Da standen schon in der Novemberabenddämmerung Ulrich,
Susen, Jan und Regina als Abholer, während die weiteren Mitglieder meiner
Lieblingsschulklasse 1953/54 uns in der Palermo
Eisdiele im Stadtweg empfingen. Das „Hallo“ war groß und herzlich und der Druck,
viel zu erzählen, merklich. Das mit der Reanimierung der Fliegenfische fanden
sie gut. Die ungesungene Geschichte mit dem La-Plata Lied „Don’t cry for me
Argentina“ verstanden sie nicht, und die Story mit den drei
Eisenbahnereignissen von Paranagua bis Curitiba glaubten sie nicht. Bis auf die
Fotos, die man mir am Vormittag geschenkt hatte,
war auch keine Bildershow möglich, denn meine zwei 6x9 Filme mit je 10
Aufnahmen, geknipst mit einer Box (für DM 10.- erworben), waren noch nicht
entwickelt. Doch die 25 boys and girls waren angenehm und interessiert. Sie
hätten sich seit meiner Einschiffung im Juni mit Segelschiffen und ihren
Besatzungen beschäftigt.
So sei der schleswig-holsteinische, vor
einem Jahr verstorbene Ministerpräsident Friedrich-Wilhelm Lübke(*)
schon im Alter von 13 Jahren bei der Seefahrt eingestiegen und hätte
alsbald alle nautischen Patente in der Tasche gehabt. Später
habe er mehrere tolle Seefahrtromane geschrieben, die wirklich spannender und
geheimnisvoller als meine Erzählungen seien. Man gab mir freundlicherweise zwei
kurze Ausschnitte aus dem 236 Seiten langen Roman „Kap Sidney Head oder die
Hölle in sechzig Tagen“ aus dem Jahr 1943, und zwar:
(*) Friedrich Wilhelm Lübke (1887-1954.
Sein sieben Jahre jüngerer Bruder Karl Heinrich Lübke (1894-1972) war von 1959 bis 1969
deutscher Bundespräsident.
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Aus dem Roman „Kap
Sidney Head oder die Hölle in sechzig Tagen“ [1943)]:
Den letzten Satz aus dem Vorwort:
„Dieses Buch ist deshalb bewusst in der
üblichen Seemannsprache geschrieben. Möge es den oft zu Unrecht geschmähten
Matrosen, die in Wirklichkeit ganze Kerle mit Kinderherzen sind, den Weg zum
Herzen des Volkes öffnen, dann wird es seine Fahrt zu einem glückhaften Ende
bringen."
Letzter Satz auf
Buchseite 236:
„Der
Glutball der langsam verdämmernden Sonne überstrahlte mit verlöschendem Schein
einen zerbrochenen Menschen(**), den das Schicksal am Rand des
eben begonnenen Weges schon zermalmt hatte.“
(**) Gemeint
ist die Romanfigur, der zweite Offizier der „Königin der Meere“, Rolf Gerken, ein
Bauernsohn aus Dithmarschen.
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Dann wurde freundlich bedeutet, dass es
mir sicher gelingen werde, meinen drei Jahre späteren Einstieg in die Seefahrt
aufzuholen, denn über die erzählerischen Qualitäten von Herrn Lübke in seinen
Teenie-Jahren sei nichts bekannt.
Wenn ich sie bis zu meiner Volljährigkeit in 5 Jahren
verbessern könnte, wäre das für meine weitere Zukunft sicherlich hilfreich.
Ich lächelte und schwieg zu den
reichlich phantastischen Ausführungen. Harmonisch ging das Treffen früh zu
Ende. Es waren ja noch Schüler, die zwei weitere Schuljahre brauchen würden, um
die zehnte Klasse abzuschließen.
Zu HEINRICH HAUSER – Auszug von https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Hauser_%28Schriftsteller%29
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Heinrich Hauser (* 27. August 1901
in Berlin; † 25. März 1955
in Dießen am Ammersee)
war ein deutscher Schriftsteller, Seemann, Weltenbummler, Farmer und Fotograf.
Leben und Werk
Heinrich Hauser war Sohn eines Arztes und wuchs auf im damaligen Großherzogtum Sachsen-Weimar (vorrangig in Weimar). Mit
einem vorfristigen Reifezeugnis trat er 1918 als Kadett ein in
die Marineschule Mürwik in Flensburg-Mürwik.
Dort war er Augenzeuge der Revolutionsereignisse. Zum Schein schloss er
sich kurzfristig den revolutionären Matrosen an. Zurück in Thüringen,
wurde er Mitglied des Freikorps Maercker, das zunächst zum Schutz
der Nationalversammlung nach Weimar kam.
In Halle, Magdeburg und Braunschweig war er beteiligt am Bürgerkrieg der
Freikorps gegen die Kämpfer des Arbeiter- und Soldatenrats. Als
Ingenieurs-Volontär arbeitete er anschließend in einem Hüttenwerk in Ruhrort. Wegen
Folgeschäden nach einem Arbeitsunfall musste Hauser das Ingenieursstudium
abbrechen. Er schloss sich einer Torpedobootflottille an und erlebte
Ausläufer des Kapp-Putsches, mit dem er sympathisierte. Von 1920 bis
1922 arbeitete Hauser in unterschiedlichen Bereichen, er wurde Schmuggler und
studierte einige Semester Medizin. Anschließend war er kurzzeitig als
Arbeiter am Hochofen der Rheinischen Stahlwerke. In den Jahren 1923–1930 war
Heinrich Hauser als (Leicht-)Matrose auf Handelsschiffen und nahm dort an
Fahrten in alle Kontinente teil. [1]
Als Matrose hatte Hauser Beziehungen zu Männern wie Frauen. Zeitweise war
er eng befreundet mit Hans Jürgen von der Wense. Er war
fünfmal verheiratet, u. a. mit zwei jüdischen Frauen, denen er zur Flucht aus
Deutschland verhalf. Er hatte zwei Kinder. Seiner Ehe mit Anna Luise, geb.
Block, gesch. Duisberg (1896–1982), einer Tochter Josef
Blocks, entstammte die Tochter Helene.
1925 wurde Heinrich Hauser Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung. Hauser schrieb
zahlreiche Essays,
Reisereportagen
und Romane.
Besonders beschäftigte ihn das Verhältnis von Mensch und Technik, Stadt und
Land. Er gilt als Vertreter der Neuen Sachlichkeit und war als begabter
Erzähler vor allem in den dreißiger Jahren beim Publikum erfolgreich. Für
seinen zweiten Roman Brackwasser bekam er 1928 den Gerhart-Hauptmann-Preis für Literatur. Im
selben Jahr entstand auf einer 6000 Kilometer langen Autofahrt durch das
Ruhrgebiet seine Fotoreportage Schwarzes Revier.
Nach 1933 sympathisierte Hauser bis 1939 mit dem Nationalsozialismus, in
dem er seine eigenen nationalistischen und rassistischen Überzeugungen
verwirklicht glaubte. Vom S. Fischer Verlag verlangte er kurz nach der Machtergreifung,
seinem Buch „Ein Mann lernt fliegen“ eine Widmung an den hochdekorierten Jagdflieger
und nationalsozialistischen Reichsluftfahrtminister Hermann Göring voranzustellen.[2]
Er wanderte 1939 in die USA aus, veröffentlicht aber noch bis zur Papierrationierung
1941 in Deutschland.
Kurz vor der Kapitulation Deutschlands veröffentlichte er in den USA unter
dem Titel The German Talks Back einen zu diesem Zeitpunkt Aufsehen
erregenden Versuch, das „wahre Deutschland“ abzugrenzen vom nationalsozialistischen Staat.
Im Jahr 1948 kehrte Heinrich Hauser nach Deutschland zurück und wurde für
wenige Monate Chefredakteur der gerade von Henri
Nannen gegründeten Zeitschrift Stern.
In seinem postum erschienenen Science-Fiction-Roman Gigant Hirn,
der im Jahr 1975 in den USA spielt, wird eine Maschine gebaut, die schlicht
„Hirn“ genannt wird und das gesamte militärische und zivile Leben steuern
soll. Die Intelligenz des „Hirns“ verselbständigt sich aber, es wird zur
Bedrohung, weil es sein eigenes Überleben sichern und ein Reich auf der
Herrschaft von Maschinen gründen will. Dem Wissenschaftler Semper Fidelis Lee
gelingt es schließlich, die Katastrophe zu verhindern
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