Bericht  22: Eishose im Designerschnitt

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Doch es passieren auf Segelschiffen Dinge, die eigentlich nicht passieren können.  Am Donnerstag war ich schon mittags aus dem Urlaub in den Bremer Hafen zurückgekehrt. Dort lud die Pamir Kohle für Montevideo, und sofort wurde ich für die kommende Nachtwache von Mitternacht bis 06 Uhr früh eingeteilt, in einer voraussichtlich frostigen Nacht. Schon kurz nach Wachbeginn nahm das Schicksal seinen Lauf: Wegen der Kälte hatte ich alles angezogen, was ich hatte. Und darüber meine selbst genähte Segeltuch-Designerlatzhose, die wegen eines nachmittäglichen Regenschauers bei Arbeit am Ankerspill noch ziemlich nass und dadurch steif war.




Wegen eines nahen Flugplatzes musste ganz an der Spitze, am Top des Großmastes in 55 Meter Höhe, ein Licht brennen. Das brannte aber um 00:30 Uhr nicht. Der Wachoffizier schickte mich, um das Licht da oben zu richten. Behände erkletterte ich in eisiger Nachtkälte den Mast. Auf engstem Raum und ohne mich wesentlich zu bewegen, schaffte ich es, das Licht in etwa 15 Minuten zum Leuchten zu bringen. Eine stolze Leistung, fand ich. Doch dann kam der Schreck: Ich kam nicht vom Fleck, die Hose war vereist. Die Hosenbeine waren stahlhart gefroren. Ich rief um Hilfe, doch es dauerte lange, bis jemand an Deck mich hörte und fragte, was denn los sei?  Endlich erschienen zwei Kollegen auf der Royal Rah. Doch statt anzupacken, lachten die sich fast tot. Nur sehr langsam machten sie dem Wachoffizier Vorschläge, wie man mich abseilen könnte.

 

Nach einer Ewigkeit kam der 2. Bootsmann Sven bei mir an, legte den Steuerbord Royal-Innengording (mit dem sonst das Segel an die Rah gezogen wird) um meinen Brustkorb, und in Schüben, denn die Leine musste laufend verlängert werden, erreichte ich das Mittschiffsdeck. Noch steif gefroren lag ich langgestreckt an Deck, bis eine Pütz mit warmem Wasser aus der Kombüse mich auftaute.


Ist die Hose klamm und nass,
mindert Frost Designer-Spaß
!

 Diese Begebenheit kann den Glanz meiner tollen Hose nicht schmälern. Die Herstellung sah so aus: Vom Segelmacher erbat man zwei Stück Segeltuch in Körpergröße. Dazu breitete man ein Stück Tuch auf der Luke aus, legte sich mit dem Bauch drauf und zeichnete selbst oder mit Hilfe eines Dritten die körperlichen Umrisse von den Fußknöcheln bis zur Oberkante Brustkorb auf. Beim zweiten Segelstoffstück legte man sich auf den Rücken  und stellte sicher, dass die Maße bis zur Hüfte stimmten. Dann nähte man mit geteertem Segelgarn das Ganze zusammen, fügte Hosenträger und Taschen nach Wahl und Bedarf hinzu.


Die Eleganz des Kleidungsstücks war nicht immer zu erkennen, die Praktikabilität aber schon.

            Für mich war nach der Rückkehr an Deck die Nachtwache vorbei. Der Wachoffizier erkannte, dass ich wegen meiner Durchgefrorenheit zur Erkältung neigen und zum Auslaufen in zwei Tagen nicht fit sein könnte. 


Er entließ mich schon um 01:25 Uhr zum Aufwärmen in meine Hängematte. Im Einschlafen entwickelte ich eine Warmluftheizung für Masten und Rahen, kam aber nicht weit damit. Zu schnell war ich eingeschlafen. Dazu fällt mir jetzt noch folgende Anmerkung ein:

PAMIR – 1930, Clip 8 & 9

Ludwig van Beethoven
Symphony 8 h-moll  D 759
Andante con moito (~11:35)

 


zu Bericht 23

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