Bericht 24: Luftpost

Index


XXXXXXXXXXXXX

 

 

 

 

 

 

 

     

Der Wettstreit mit der „SS United States“ um das Blaue Band der Nordsee lag nun hinter uns. Kurz nach Dover  wurden wir von ihr mit einem riesigen TUUUT-Konzert und zweitausend winkenden Armen überholt. Alles, was bei uns dienstfrei hatte, war auf die obersten Rahen geklettert und winkte zurück, was das Zeug hielt. Da war es denn doch ganz gut, dass „SS United States“ jetzt ihre volle Geschwindigkeit ausfahren konnte und bald verschwunden war, denn die nasse Kälte dämpfte unsere Begeisterung mächtig.

 

 

 Wer geglaubt hatte, dass nun Ruhe einkehren würde, war spätestens verärgert und aufgebracht, als bekannt wurde, dass die Postboje am Ausgang des Englischen Kanals wegen Reparatur in einen Hafen geschleppt worden war. Wir hatten den Service auf der letzten Ausreise so geschätzt und waren davon ausgegangen, von hier unsere Weihnachtspost erledigen zu können.

 Dieses Mal war es der Funker, der mit einem überraschenden Angebot vorstellig wurde. „Ja“, sagte er etwas behäbig, ich habe den Chief Editor der „Falmouth Morning Times“, einen begeisterten Hobbyfunker, kontaktiert und gefragt, ob er sich um einen Wetterballon mit Post dran kümmern würde, wenn wir diesen vor dem Hafen von Falmouth fliegen ließen. Dem hätte John, so hieß der Editor, zugestimmt, wenn es morgen Nachmittag zwischen 15 und 18 Uhr stattfände und unter dem Ballon eine wenigstens 250 Meter lange dünne Leine mit mehreren roten Stofffetzen hinge.“

 

 Hobbyfunkerei könne doch nicht der alleinige Grund für dieses freundliche Angebot sein, wurde der Funker gefragt. „Nein“, erwiderte er, „das stimmt. John ist auch ein Fan der Pamir, seitdem diese unter der Flagge von Gustaf Erikson die letzte kommerzielle Reise eines Frachtseglers um das Cap Horn nach 128 Tagen am 11. Juli 1949 in Falmouth beendet und ihre aus 60'000 Sack Getreide bestehende Ladung gelöscht hatte“. Die Schiffsführung zog sich zu einer längeren Beratung zurück. Nach 20 Minuten mussten Bootsmann und Segelmacher kommen. Das Problem war die Leine: Selbst die dünnste und leichteste würde bei der geforderten Länge mindestens 90 kg ergeben und die Leistungsgrenze unseres noch vorhandenen alten Wetterballons erreichen.

 

 

 Es dauerte nochmals eine halbe Stunde, dann kam die positive Entscheidung unter folgenden Auflagen:

__Ein Umweg wird nicht gefahren, doch wenn der Wind und die Strömung keinen Strich durch die Rechnung machen, findet die Aktion morgen Nachmittag statt.

__Pro Person max. vier Postkarten oder Briefe und nicht mehr als 60 Gramm. __Porto wäre zu zahlen, wenn John die Rechnung übermittelt hätte.

__Der Funker ist für Vorbereitung, Auflistung und Eintreibung des Portos verantwortlich.



 

Das hörte sich gut an und viele, die ihre Weihnachtspost schon in Bremen erledigt hatten, konnten nicht widerstehen, noch ein zweites Mal zu schreiben oder noch nicht Bedachte zu bedenken. Für den Funker bedeutete das viel Arbeit: Besonders die Gewichtskontrolle war langwierig, weil er dazu die Gewürzwaage in der Kombüse benutzen musste. Er erledigte seine Aufgabe mit Geduld und Gleichmut. So war alles prächtig vorbereitet, als wir schon um 14:43 die Position vor Falmouth erreicht hatten. Der Südwind und Beaufort 3-4 behinderten die Pläne nicht.

  
Die „Falmouth Morning Times“ hatte anscheinend einige tausend Bürger auf die Hafenmole gelockt. Wir konnten uns unter vollen Segeln bei 6 kn Fahrt und nur einer halben Seemeile Entfernung gut präsentieren. Hier und dort wurde „Cheers“ und „Hurra“ gerufen. Der Ballon stieg vom Poop-Deck auf mit einer 663 Gramm Postladung, wie der Funker berichtete. Das Ende der Leine schleifte langsam in Richtung Nord über der Meeresoberfläche. Die roten Stoffe flatterten im Wind. Bald war die Leine nicht mehr auszumachen. Nur den Ballon sahen wir noch und auch, wie er vom Himmel geholt wurde. Da war auch ein Gruß mit der Unterschrift aller Postbenutzer dabei.
Merry Christmas and many thanks, John”, stand auf der Karte.

Zu Bericht 25

Zu allen Berichten Teil III


 



Als Buch in allen Buchhandlungen und Internetbuchshops
erhältlich:

Arnd B. Arnd

 PAMIR

1955/56.

Ein Bilderbuch

mit ein paar

Berichten des

Schiffsjungen

Arnd

40 Berichte auf
ca. 190 Seiten
Photochrome mit
über 200 Photos

Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783848211319







 

Hinweis:
Zwischen dem Buch und dieser Seite können sich Unterschiede, sowohl in der Präsentation, beim Text, wie auch Auswahl, Qualität und Anzahl der Fotos ergeben. Änderungen jeglicher Art bleiben vorbehalten.

B

 
Terms & Conditions
Home-Page
            

    

Zu Bericht 25