Der Wettstreit mit der „SS United States“ um das Blaue Band der
Nordsee lag nun hinter uns. Kurz nach Dover
wurden wir von ihr mit einem riesigen TUUUT-Konzert und zweitausend
winkenden Armen überholt. Alles, was bei uns dienstfrei hatte, war auf die obersten Rahen geklettert und winkte
zurück, was das Zeug hielt. Da war es denn doch
ganz gut, dass „SS United States“ jetzt ihre volle Geschwindigkeit
ausfahren konnte und bald verschwunden war, denn die nasse Kälte dämpfte unsere Begeisterung mächtig.
Wer geglaubt hatte, dass nun Ruhe einkehren würde, war spätestens verärgert
und aufgebracht, als bekannt wurde, dass die Postboje am Ausgang des Englischen
Kanals wegen Reparatur in einen Hafen geschleppt worden war. Wir hatten den
Service auf der letzten Ausreise so geschätzt und waren davon ausgegangen, von
hier unsere Weihnachtspost erledigen zu können.
Dieses Mal war es der Funker,
der mit einem überraschenden Angebot vorstellig wurde. „Ja“, sagte er etwas behäbig, „ich
habe den Chief Editor der „Falmouth Morning Times“, einen begeisterten Hobbyfunker,
kontaktiert und gefragt, ob er sich um einen Wetterballon mit Post dran kümmern
würde, wenn wir diesen vor dem Hafen von Falmouth fliegen ließen. Dem hätte
John, so hieß der Editor, zugestimmt, wenn es morgen Nachmittag zwischen 15 und
18 Uhr stattfände und unter dem Ballon eine
wenigstens 250 Meter lange dünne Leine mit mehreren roten Stofffetzen hinge.“
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Hobbyfunkerei könne doch nicht der alleinige Grund für
dieses freundliche Angebot sein, wurde der Funker gefragt. „Nein“, erwiderte
er, „das stimmt. John ist auch ein Fan der Pamir, seitdem diese unter der
Flagge von Gustaf Erikson die letzte kommerzielle Reise eines Frachtseglers um
das Cap Horn nach 128 Tagen am 11. Juli 1949 in Falmouth beendet und ihre aus
60'000 Sack Getreide bestehende Ladung gelöscht hatte“. Die Schiffsführung zog
sich zu einer längeren Beratung zurück. Nach 20 Minuten mussten Bootsmann und
Segelmacher kommen. Das Problem war die Leine: Selbst die dünnste und
leichteste würde bei der geforderten Länge mindestens 90 kg ergeben und die
Leistungsgrenze unseres noch vorhandenen alten Wetterballons erreichen.
Es dauerte nochmals eine halbe Stunde, dann kam die
positive Entscheidung unter folgenden Auflagen:
__Ein Umweg wird nicht gefahren, doch wenn der Wind und die Strömung keinen
Strich durch die Rechnung machen, findet die Aktion morgen Nachmittag statt.
__Pro Person max. vier Postkarten oder Briefe und nicht
mehr als 60 Gramm. __Porto wäre zu zahlen, wenn
John die Rechnung übermittelt hätte.
__Der Funker ist für Vorbereitung, Auflistung und Eintreibung des Portos
verantwortlich.
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Das hörte sich gut an und viele, die ihre Weihnachtspost
schon in Bremen erledigt hatten, konnten nicht widerstehen, noch ein zweites
Mal zu schreiben oder noch nicht Bedachte zu bedenken. Für den Funker bedeutete
das viel Arbeit: Besonders die Gewichtskontrolle war langwierig, weil er dazu die
Gewürzwaage in der Kombüse benutzen musste. Er erledigte seine Aufgabe mit
Geduld und Gleichmut. So war alles prächtig vorbereitet, als wir schon um 14:43
die Position vor Falmouth erreicht hatten. Der Südwind und Beaufort 3-4
behinderten die Pläne nicht.
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Die „Falmouth Morning Times“ hatte anscheinend einige tausend Bürger
auf die Hafenmole gelockt. Wir konnten uns unter vollen Segeln bei 6 kn Fahrt
und nur einer halben Seemeile Entfernung gut präsentieren. Hier und dort wurde
„Cheers“ und „Hurra“ gerufen. Der Ballon stieg vom Poop-Deck auf mit einer 663
Gramm Postladung, wie der Funker berichtete. Das Ende der Leine schleifte
langsam in Richtung Nord über der Meeresoberfläche. Die roten Stoffe flatterten
im Wind. Bald war die Leine nicht mehr auszumachen. Nur den Ballon sahen wir
noch und auch, wie er vom Himmel geholt wurde. Da war auch ein Gruß mit der
Unterschrift aller Postbenutzer dabei. „Merry Christmas and many thanks, John”, stand auf der Karte.
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Berichten Teil III
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