Da gab
es keine Fragen. Taufe am Äquator musste sein. Wir hatten nur wenige ungetaufte
Neulinge an Bord bekommen, aber auch die wenigen mussten sauber in der
südlichen Hemisphäre ankommen. Wie gehabt war am Vormittag vor der Taufe das
Taufbecken an Luke zwei, Backbordseite, aufgebaut worden.
Es war
auch zufällig der erste Tag im Jahr 1956, und ich, wie eine Gruppe anderer
alter Azubis, hatten vom Ausbildungsoffizier beim Beginn der Vormittagswache um
8 Uhr vernommen, dass wir ab heute Jungmänner seien. Das kam überraschend:
Keiner von uns hatte darüber viel nachgedacht, denn grundsätzlich mussten 12
Monate abgedient sein, bevor die erste Beförderung möglich war. Doch
Segelschifffahrer lernen schneller, hatte irgendein Gesetzgeber erkannt, und
der Bonus dafür war 50% Aufschlag auf die Segelschifffahrzeit. Von Juli bis
Dezember 1955 waren sechs Monate, die zählten wie neun Monate, und mit
Schiffsjungenschule vom vorigen April bis Juni ergaben zusammen ein ganzes
Jahr.
War das schon eine große Überraschung,
kam eine zweite mittleren Ausmaßes hinzu: Ein „größeres Mittagessen“, an das
sich eine dritte Überraschung anschloss, die zur größten Verwunderung und
Spekulationen aller führte. Weil die meisten sich dem Neujahrsessen in Messen
und Mannschaftsunterkünften widmeten und die Wachmannschaft mit dem
Wachoffizier ein Problem am Besanmast löste, hatte sich plötzlich ein kapitaler
Hai im Taufbecken eingefunden.
Aus dem einen Meter tiefen Wasser guckte
er grimmig und zeigte seine Zähne: blank. Sofort war die Frage in aller Munde,
ob etwa ein paar Spaßvögel den Hai gefischt und dann ins Becken bugsiert
hatten, oder war er, neugierig wie Haie bekanntlich so sind, von sich aus an
Bord gejumpt, um an der Taufe teilzunehmen?
Was nun tun? Bekannt ist, dass auf
Segelschiffen, seit sie die Weltmeere befahren, die Jagd auf den Hai mit einem
Fleischköder auf einem kräftigen Haken gerne betrieben wird. Wenn der das miese
Angebot verschlingt, wird er an Deck gehievt, erschlagen und filetiert. Das hatte ich noch nie mit
eigenen Augen gesehen, hatte aber die Fotos von Heinrich Hauser, die mir vor
ein paar Wochen geschenkt worden waren, genau angeschaut (Bericht 21).
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Das sah
sehr brutal aus. Die Diskussion ging
nun darum, ob man unseren ungebetenen Gast erschlagen oder wieder ins Meer
befördern sollte. Es gab wohl ein weiteres halbes Dutzend Ideen, die jeder mit
jedem austauschte. Darunter war auch die, den Hai mit nach Montevideo zu
nehmen, um ihn einem Zoo zu schenken. Letztlich siegte das Fairnessprinzip.
Dieser Hai war nicht ein Opfer eines
Kampfes Mann gegen Kreatur geworden. Zur Versorgung brauchten wir ihn
auch nicht. Er war ohne unser Zutun ins Taufbecken gelangt. Keiner reklamierte
ihn als Jagdtrophäe. Die Entscheidung fiel eindeutig aus, der Hai soll wieder
ins Meer hinaus. Dazu wurde der Backbord-Ladebaum an Luke 2
funktionstüchtig gemacht und der ganze Wasserpool an den Ladehaken gehängt und
hoch gehievt. Als er wie ein nasser Sack in der Luft hing, wurde er über die
Backbordreling geschoben und dann vom Bootsmann aufgeschlitzt. Während der Gast
schnell entwischte erklang in unison in Chorgesang Stärke: Farewell Shark -
Happy New Year!
Provisorisch wurde danach das Taufbecken
wieder hergestellt und erneut mit Meerwasser gefüllt. Dann begann die Zeremonie
mit dem üblichen Tamm-Tamm und großem Gebrüll. Die Täuflinge wurden
ordnungsgemäß gereinigt und mit einer von Neptun selbst unterzeichneten
Taufurkunde in der Hand auf die Südhalbkugel entlassen.
PAMIR – 1930, Clip 12
Ludwig
van Beethoven
Sonata
No 10 in G major Op.14/2
Andante (~5m)
Zu Bericht 30
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Berichten Teil III
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