Bericht 30: Lernen leicht gemacht

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Der Südatlantik ist bis zu den ‚roaring forties“, dem Windgürtel, der vor der Antarktis liegt, meistens friedlich. Jedenfalls dieses Mal. Wir arbeiteten an Deck, aßen an Deck, schliefen an Deck, jedenfalls sehr häufig.  Manchmal gab es aber auch Unterricht, der dann in den Azubi Unterkunftsräumen stattfand.

 

So der von gestern über die Kunst des Segelns. „Ihr habt doch schon alle mal einen Apfelsinenkern zwischen Daumen und Zeigefinder gehabt“, erklärte der unterrichtende Schiffsoffizier, „wenn ihr dann den Druck zwischen den beiden Fingern erhöht, macht es SCHNIPP; dass ist segeln“. Was er meinte ist, dass Druck (der Wind auf die Segel) Gegendruck (das Wasser auf der Leeseite des Schiffrumpfes) erzeugt, was den Vortrieb des Schiffes bewirkt. Das war SCHNIPP!

 

 one film-clip; Irving Johnson – PEKING – 1930,   Ludwig van Beethoven, Symphony No. 7 A-dur op. 92 (~9min),  4. Allegro con brio

Nun wussten wir, dass es Druckerzeugung war, was uns tagtäglich auf Trab hielt. Lernstoff erhielten wir unerwartet von Südamerika, knapp eine Woche nach der Äquatorüberquerung und eine Woche vor der Ankunft in Montevideo. Schon seit Tagen standen die Matrosen bereit, sich wieder der Entenjagd zu widmen. Doch vorgestern kamen keine, gestern kamen keine und heute kamen stattdessen Papageien.

Es war ein Schwarm aus mehreren hundert Vögeln. Sie waren bunt, rund 30 cm lang und sprachen eine Sprache, die manche für Portugiesisch hielten. Klar, war nicht Brasilien nach seiner Entdeckung Land der Papageien genannt worden? Jeder von uns, sagen wir mal 75% und sicherlich nicht Kapitän und der Segelmacher (der schon einen Kanarienvogel hatte), schnappte sich einen und sicherte seine Trophäe in einem schnell gefertigten Kasten oder mit einem sicheren Band an einem sichern Platz, z.B. im Duschraum. Wer sich nicht einen geschnappt hatte, war ohne Vogel, denn die anderen flogen alsbald weiter.

Nun war während der Freiwachen das Palaver zwischen dem Vogelbesitzer und seinem Vogel unerschöpflich.
Großzügig erhielten wir vom Bäckerkochsmaat Papageienproviant mit dem Hinweis, dass der Koch zu verstehen gegeben hätte, dass er unsere Ration entsprechend kürzen werde, was wohl als Absicherung gegenüber Kapitän und Zahlmeister zu verstehen war.

 


Wir verhungerten nicht, die Papageien genossen ihren persönlich gereichte Verpflegung und gaben sich Mühe, uns zu unterhalten, doch wir verstanden nur Spanisch, obwohl doch alle wussten, dass   in Brasilien
Portugiesisch gesprochen wurde.

 

 Auch die zunächst zur Entenjagd angetretenen Leute aus der Stammbesatzung legten die Fangnetze beiseite und widmeten sich den Gästen. Schon bald konnten die mehr Deutsch als wir Portugiesisch, was ja auch witzlos war zu lernen, da in Montevideo Spanisch gesprochen wurde. Alle genossen die Abwechslung, nur die Schiffsführung nicht so sehr. Ihr war schnell bewusst, dass ein Verstoß gegen Hygienebestimmungen eine Quarantäne für das Schiff, d.h. ein Einlaufverbot, bedeuten könne. So wurde die Pamir vom deutschen Konsul im Anlaufhafen und von der Reederei Zerssen in Rendsburg am Nord-Ostseekanal angewiesen, dass die Vögel einen Tag vor der Ankunft in Montevideo und zwei Stunden vor Sonnenaufgang, jedoch mindestens mehr als drei Seemeilen vor der Küste Uruguays wieder zum Fliegen zu bringen seien. Sie würden, wenn es mit der aufgehenden Sonne im Rücken geschieht, auch abfliegen und die rettende Küste sicher finden. Mit großem Verständnis wurden die Anweisungen befolgt. Ohne einen einzigen Papagei in unseren Reihen erreichten wir die Reede von Montevideo am Donnerstag früh zum Löschen unserer Kohle in längsseits kommende Leichter.

 

 

 

 Die Hafenzeit war diesmal kurz, unspektakulär und schwarz. Kohlenstaub durch Löschen und unser gründliches Fegen bestimmten den Reedeaufenthalt. Die Abwechslung bestand aus Fußball an Land, wohin wir uns begaben, wenn immer die Möglichkeit dazu bestand.

Dass wir gegen die Heimmannschaften zum Teil recht erfolgreich waren, konnte unschwer mit unseren Kohlenstaub vollen Kleidungsstücken und den daraus resultierenden Berührungsängsten in Zweikämpfen in Verbindung gebracht werden. Auch wurde mit kräftigen Worten nicht gespart.

Doch verblüffte uns sehr, als wir von den Gegnern hörten: „Du blöder Lümmel“ oder „Hast wohl’ne Meise“. Nachgefragt, woher sie so viel Deutsch könnten, erfuhren wir, dass sie das von so ein paar blöden Papageien aufgeschnappt hätten, die sich hier rumtreiben. Offensichtlich hatten wir es mit zwei sehr sprachbegabten Spezies in den letzten Tagen zu tun gehabt.

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