Bericht 33: Ein Mayday
für eine Truppe Pinguine

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 Bei flottem Nordostwind hatten wir den Rio de La Plata mit Ostkurs verlassen. Glatte 500 Seemeilen waren bereits in 36 Stunden zurückgelegt worden, als der Funker dem Wachoffizier berichtete, ein MAYDAY, bedeutend: "come help me", von dem argentinischen Forschungsschiff El Gran Salvador erhalten zu haben. Das  war gestern Morgen. Sofort wurde der Kapitän gerufen und ihm die Nöte des Argentiniers erläutert: Das Schiff sei zwar selber nicht in Gefahr, aber die 123 Pinguine, die man an Bord habe. Für diese seien nur noch für zwei Tage Fisch an Bord. Wegen Schwierigkeiten mit der Maschine könne man aber nur 4 Knoten laufen, d.h. bis zum ersten Hafen und zur Pinguin-Station bräuchte man mindestens fünf Tage. Die Bitte sei, die Pinguine zu einem großen Tafeleisberg zu bringen, der in rund 200 Seemeilen Entfernung in SSO schwimme. Dort würde man die Tiere in den nächsten 2-3 Wochen abholen.

 Die Schiffsführung war bereit zu helfen, sah jedoch keine Möglichkeit, die Pinguine mit Hilfe unseres Ladegeschirrs an Bord zu holen. Man konnte den Pinguinen doch keine Leine um den Bauch binden und an einem Ladehaken hängend an Bord verfrachten. Fast wäre das Ersuchen abgelehnt worden, aber man wollte doch noch klären, a) wo die Übergabe bei ruhiger See stattfinden könnte und b) ob die Pinguine Treppen mit einer Stufenhöhe von 10 cm hochgehen könnten.

 

 

 

 Wenn beides ginge, bräuchten wir nur unsere Gangway auszubringen und die Gäste könnten an Bord kommen. Nachdem die El Gran Salvador signalisierte, dass beides kein Problem sei, wurde der Kurs neu abgesteckt und der Treffpunkt in ca. 55 Seemeilen Entfernung angesteuert. Drei Stunden später war die Gangway ausgebracht der Wind wurde schwächer und mit wenig Fahrt und bei fast ruhiger See trafen wir am späten Nachmittag auf das Forschungsschiff

Das war bestenfalls ein kleiner Fischdampfer, aber es standen wenigstes zwei Dutzend Forscher und 10 Dutzend Pinguine hoch aufgerichtet an Deck. Durch Wegnahme weiterer Segel reduzierten wir unsere Fahrt auf nur noch 2 Knoten, sodass der Dampfer längsseits kommen und die Übergabe stattfinden konnte.

Nacheinander wurden die Tiere behutsam auf unsere Gangway gestellt und mit gutem Zureden und leichtem Anschubsen watschelten sie die rund fünf Meter hoch, bis sie bei uns an Deck standen.
Sie wurden zu je 40 auf dem Vor-, Mittel- und Achterschiff verteilt. Dann schleppten wir noch die Fischvorräte an Deck und sogleich auf die Back, weil sie schon etwas rochen. Die El Gran Salvador verabschiedete sich mit Dank und dem Hinweis, wo wir die Pinguine aussetzen sollten. Dann dampfte sie mit westlichem Kurs davon.

Auch wir gingen auf den neuen Kurs und setzten alle Segel. Noch nie war unserer Arbeit so interessiert zugeschaut worden wie von unseren Gästen. Sie schauten nicht nur zu, sie machten auch mit. Wenn wir an einem Tau von oben nach unten zogen, bewegte sich ihr Kopf von oben nach unten; wurde eine Schoot von links nach recht gezogen, wurde der Kopf von links nach rechts bewegt. Drehten wir an einer Kurbel rechtsherum, drehten sie den Kopf rechtsherum. Schwer zu raten, was geschah, wenn linksherum gedreht wurde. Sie standen in Gruppen von 5 bis 10 Tieren beisammen. Dabei waren sie dem Geschehen häufig fast näher als wir, also „immer mittendrin“. War das zunächst ganz putzig, so war es auch gefährlich, denn die mindestens einen Meter langen Gäste verstießen fundamental gegen sämtliche Arbeitsschutzbestimmungen! Die Schiffsführung wurde nach einer langen Nacht überzeugt, dass es so nicht weiterginge. Das wurde verstanden. Alle Segel wurden geborgen und wir motorten die verbleibenden Stunden bis zum Tafeleisberg.

 

 

 

 Noch vor dem Mittag wurde es arg kalt, und wenige Stunden später sichteten wir bei grauem Wetter einen riesigen Eisberg. Jeder wollte seine Ausmaße sehen, und selbst der Koch und seine Kochsmaaten erklommen den Fockmast bis in 50 Meter Höhe, um eine riesige Platte, 10 Meter über dem Meeresspiegel, zu bewundern.

          Doch wegen der schneidenden Kälte wollten wir schnellstmöglich wieder weg von hier. Nur unsere Pinguine grunzten fröhlich. Wir steuerten eine Abbruchstelle an, von der aus unsere Gäste das Plateau leicht erklimmen konnten. Dann wurden sie von den beiden Steuerbordwachen in den Arm genommen und mit dem Kopf nach unten in die See entlassen. Beim zweiten Pinguin wurde man warm, beim dritten fing man an zu schwitzen. In knapp einer halben Stunde war der Abgang erledigt. Kurz darauf sahen wir die komplette Truppe am Eisbergufer stehen und mit den Flossen so winken, wie es die Hamburger beim Einlaufen der Schiffe an der Elbe machen – hanseatisch unterkühlt.  Eine der Backbordwachen hatte inzwischen mehrere große Eisbrocken aus der See gefischt und auf der Poop an Deck gelegt. Eine kleine Frischwasserreserve, ausreichend für die nächsten Tage. Weitere 12 Stunden unter Motor wurden benötigt, um wieder in den Genuss von Wind und wärmeren Temperaturen zu kommen.

Nun ist es soweit: Ich sitze an Deck und habe in meine Kladde Anmerkungen zu Buenos Aires und den Pinguine. 

 
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