Bei flottem Nordostwind hatten wir
den Rio de La Plata mit Ostkurs verlassen. Glatte 500 Seemeilen waren bereits
in 36 Stunden zurückgelegt worden, als der Funker dem Wachoffizier berichtete,
ein MAYDAY, bedeutend: "come help me", von dem argentinischen
Forschungsschiff El Gran Salvador erhalten zu haben. Das war
gestern Morgen. Sofort wurde der Kapitän gerufen und ihm die Nöte des
Argentiniers erläutert: Das Schiff sei zwar selber nicht in Gefahr, aber die
123 Pinguine, die man an Bord habe. Für diese seien nur noch für zwei Tage
Fisch an Bord. Wegen Schwierigkeiten mit der Maschine könne man aber nur 4
Knoten laufen, d.h. bis zum ersten Hafen und zur Pinguin-Station bräuchte man
mindestens fünf Tage. Die Bitte sei, die Pinguine zu einem großen Tafeleisberg
zu bringen, der in rund 200 Seemeilen Entfernung in SSO schwimme. Dort würde
man die Tiere in den nächsten 2-3 Wochen abholen.
Die Schiffsführung war bereit zu helfen, sah jedoch keine
Möglichkeit, die Pinguine mit Hilfe unseres Ladegeschirrs an Bord zu holen. Man
konnte den Pinguinen doch keine Leine um den Bauch binden und an einem
Ladehaken hängend an Bord verfrachten. Fast wäre das Ersuchen abgelehnt worden,
aber man wollte doch noch klären, a) wo die Übergabe bei ruhiger See
stattfinden könnte und b) ob die Pinguine Treppen mit einer Stufenhöhe von 10
cm hochgehen könnten.
Wenn beides ginge, bräuchten wir nur unsere Gangway
auszubringen und die Gäste könnten an Bord kommen. Nachdem die El Gran
Salvador signalisierte, dass beides kein Problem sei, wurde der Kurs neu
abgesteckt und der Treffpunkt in ca. 55 Seemeilen Entfernung angesteuert. Drei
Stunden später war die Gangway ausgebracht der Wind wurde schwächer und mit
wenig Fahrt und bei fast ruhiger See trafen wir am späten Nachmittag auf das
Forschungsschiff
Das war bestenfalls ein kleiner Fischdampfer, aber es
standen wenigstes zwei Dutzend Forscher und 10 Dutzend Pinguine hoch
aufgerichtet an Deck. Durch Wegnahme weiterer Segel reduzierten wir unsere
Fahrt auf nur noch 2 Knoten, sodass der Dampfer längsseits kommen und die
Übergabe stattfinden konnte.
Nacheinander wurden die Tiere behutsam auf unsere Gangway gestellt und mit
gutem Zureden und leichtem Anschubsen watschelten sie die rund fünf Meter hoch,
bis sie bei uns an Deck standen. Sie
wurden zu je 40 auf dem Vor-, Mittel- und Achterschiff verteilt. Dann schleppten
wir noch die Fischvorräte an Deck und sogleich auf die Back, weil sie schon
etwas rochen. Die El Gran Salvador verabschiedete sich mit Dank und dem
Hinweis, wo wir die Pinguine aussetzen sollten. Dann dampfte sie mit westlichem
Kurs davon.
Auch wir gingen auf den neuen Kurs und setzten alle
Segel. Noch nie war unserer Arbeit so interessiert zugeschaut worden wie von
unseren Gästen. Sie schauten nicht nur zu, sie machten auch mit. Wenn wir an
einem Tau von oben nach unten zogen, bewegte sich ihr Kopf von oben nach unten;
wurde eine Schoot von links nach recht gezogen, wurde der Kopf von links nach
rechts bewegt. Drehten wir an einer Kurbel rechtsherum, drehten sie den Kopf
rechtsherum. Schwer zu raten, was geschah, wenn linksherum gedreht wurde. Sie
standen in Gruppen von 5 bis 10 Tieren beisammen. Dabei waren sie dem Geschehen
häufig fast näher als wir, also „immer mittendrin“. War das zunächst ganz
putzig, so war es auch gefährlich, denn die mindestens einen Meter langen Gäste
verstießen fundamental gegen sämtliche Arbeitsschutzbestimmungen! Die
Schiffsführung wurde nach einer langen Nacht überzeugt, dass es so nicht
weiterginge. Das wurde verstanden. Alle Segel wurden geborgen und wir motorten
die verbleibenden Stunden bis zum Tafeleisberg.
Noch vor dem Mittag wurde es arg kalt, und wenige Stunden
später sichteten wir bei grauem Wetter einen riesigen Eisberg. Jeder wollte
seine Ausmaße sehen, und selbst der Koch und seine Kochsmaaten erklommen den
Fockmast bis in 50 Meter Höhe, um eine riesige Platte, 10 Meter über dem
Meeresspiegel, zu bewundern.
Doch
wegen der schneidenden Kälte wollten wir schnellstmöglich wieder weg von hier. Nur
unsere Pinguine grunzten fröhlich. Wir steuerten eine Abbruchstelle an, von der
aus unsere Gäste das Plateau leicht erklimmen konnten. Dann wurden sie von den
beiden Steuerbordwachen in den Arm genommen und mit dem Kopf nach unten in die
See entlassen. Beim zweiten Pinguin wurde man warm, beim dritten fing man an zu
schwitzen. In knapp einer halben Stunde war der Abgang erledigt. Kurz darauf
sahen wir die komplette Truppe am Eisbergufer stehen und mit den Flossen so
winken, wie es die Hamburger beim Einlaufen der Schiffe an der Elbe machen –
hanseatisch unterkühlt. Eine der
Backbordwachen hatte inzwischen mehrere große Eisbrocken aus der See gefischt
und auf der Poop an Deck gelegt. Eine kleine Frischwasserreserve, ausreichend
für die nächsten Tage. Weitere 12 Stunden unter Motor wurden benötigt, um
wieder in den Genuss von Wind und wärmeren Temperaturen zu kommen.
Nun ist
es soweit: Ich sitze an Deck und habe in meine Kladde Anmerkungen zu Buenos
Aires und den Pinguine.
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