Bericht 35: Getreide ernährt den Mann

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 Wie das passieren konnte, ist uns schleierhaft. Vor Tagen hatten wir den Äquator überquert, waren aber noch immer nahe dran. Seit Wochen warten wir auf Wind, und wir warten, und warten, nur weil wir zu wenig Treibstoff für die Maschine haben, um uns durch zwei, drei Tage Motoren aus dieser Lage zu befreien. Das wenige, was wir haben, muss für einen Notfall und für den Englischen Kanal vorgehalten werden. So weit so gut, aber inzwischen haben wir ein weiteres Problem.

 

 

Wie konnte es nur passieren, dass wir zu wenig Proviant an Bord hatten! Fast nur noch Getreide! Seit gestern wissen wir es. Das wurde ganz unspektakulär auch uns, den niederen Chargen, mitgeteilt. Wir wurden angewiesen, mit einem „Ding“ Getreide im Zwischendeck der Luke 2 zu mahlen.  Eigentlich ist das „Ding“ wohl mal als Kaffeemühle erfunden worden, nun wurde sie als Mehlmühle missbraucht.

 

 

 

Dazu sollten zwei Mann von der Wache die Mühle mit dem vor ihnen liegenden Getreide füllen, um dann durch Drehen der beiden Hebel links und rechts daraus Mehl zu machen. Die Produktion verlief langsam, war anstrengend und erforderte alle dreißig Minuten eine Ablösung. Das Ergebnis zu Brot verarbeitet, schmeckte einwandfrei. Es schien eine brauchbare Lösung gefunden zu sein.

 

 

 

Seit Sonntag ist jedoch klar, dass die Produktion erhöht werden muss, um über 80 Personen einigermaßen zu ernähren. Mit der Kaffeemaschine ging das, auch bei durchgehender Nachtarbeit, nicht. Mehr drehen war nicht drin. Da hatte Simon die Idee, die Getreidekörner mit einem eisernen Koffeenagel platt zu klopfen. Gesagt getan. Aus mehreren mit Getreide gefüllten Eimern holten wir jeder zwei Hände voll Getreidekörner, suchten eine harte Unterlage und einen eisernen Koffeenagel. Dann ging es los. Es bedurfte wohl an die 100 bis 200 Versuche, bis man den Dreh raus hatte, das Korn so zu treffen, dass es platt und mehlig dalag. Auch dann benötigt man erhebliche Zeit, um nur 100 Gramm von rund zu flach zu transformieren.

 

 

 

Allen war klar, dass, um uns am Leben zu erhalten, die Plattklopfaktion neben dem Mehlmahlen so lange notwendig sein würde, bis neuer Proviant an Bord genommen werden konnte. Jeder wird bis dahin nun mindestens eine Stunde seiner Freiwache opfern müssen, um genügend Getreidemus zu produzieren. Die Bezeichnung „Mus“ schien Simon nicht sehr zu gefallen. Das klänge so negativ.

 

 

 

Dieses platte Getreide sei doch toll. In seiner Schweizer Heimat würde man „Müsli“ sagen, und so wolle er unsere Kreation seiner Familie mit einem Mühlenbetrieb im Baseler Land auf seinem nächsten Urlaub auch vorstellen. Was sollten wir dagegen haben. Vielleicht wird es eines Tages als Pamir- oder Schweizer-Müsli bekannt. Seit gestern ernähren wir uns von Mehl, Müsli und der Hoffung, dass der Wind und gute Navigation uns zu einem Hafen bringt, der genügend Proviant bereit hält. Nun muss ich aber wieder los: Müsli machen.

 
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