Bericht 38: Sputnik im Kommen

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Diese Reise hielten wir einen nordöstlichen Kurs. Das Bermuda-Dreieck steckte dem Kapitän wohl noch in den Knochen. Andererseits mussten wir allen Wind mitnehmen, da sich der Treibstoffvorrat für die Maschine nicht mehrte, solange wir keinen Hafen zum Nachbunkern erreicht hatten. Ob ein Anlaufen der Azoren als Option in Erwägung gezogen wurde, weiß ich nicht. Ich wusste nur, dass wir nun schon fast zwei Monate auf See waren, dass es kühler wurde und wir laut Bemerkung des Wachhabenden von gestern Mittag die Azoren in 200 Seemeilen Abstand passiert hatten. Dann schlief der Wind mal wieder ein. Das wurde langsam so nervig wie das Kaffeemühlenmehlbrot und das in Zuckerwasser gequollene Müsli. Seit dem Äquator saßen die Freiwachen für Stunden an der Reling und hofften, dass an dem ins Meer gehängten Bindfaden mit krummem Draht am Ende mal ein Fisch anbeißen würde, auch wenn es nur ein ganz kleiner wäre. Es waren auch einige Fische zu sehen. Sie bissen nur nicht, weil kein überzeugender Köder angebracht war. Das Beste, was wir anbieten konnten, war etwas Rinde von unserem Ladegetreide-Brot. Mit dem Müsli ließ sich überhaupt nichts anfangen.

Da brachte ein Funkspruch wieder Leben in die Bude:  Die russische Fregatte,
deren Kennung wir verpflichtet wurden zu ignorieren, meldete sich und erbat
eine Hrizontrundumbeobachtung.



 

Wegen unserer hohen Masten können wir ein weites Seegebiet überschauen, und das mit mehreren Dutzend Augenpaaren. Die glorreiche Sowjetunion teste in den frühen Morgenstunden ihren ersten Weltraumsatelliten mit einem Lebewesen an Bord*). Dieser könne in einer Position rund 200 Seemeilen Nordnordost in rund 1'500 Kilometer Höhe den Atlantik überfliegen. Alternativ sei vorgesehen, den Satelliten in dem bezeichneten Seegebiet an einem Fallschirm wassern zu lassen.

Wie die Kommunikation im Einzelnen ablief, sickerte nicht durch. Uns wurde bedeutet, dass  es sich um Lebensrettung handele, wenn in dem Gerät ein Hund sei. Allerdings bestünde keine Chance, das Seegebiet zeitig zu erreichen, weder morgen noch übermorgen, denn man sei auf Wind angewiesen welcher erst im potentiellen Landegebiet gegeben sei. „No problem“, soll die Antwort gewesen sein: Give us a towing rope and we bring you there in time“.

*)US-Präsident Eisenhower hatte Ende Juli 1955 die Entwicklung eines amerikanischen Erdsatelliten in Auftrag gegeben, worauf die UdSSR vier Tage später, am 1. August 1955, eine ähnliche Entwicklung ankündigte. Dies wurde von der Weltöffentlichkeit teilweise als Propaganda-Coup für die Überlegenheit des marxistisch-wissenschaftlichen Systems über den Kapitalismus (Mitteilung Herbst 1955) angesehen. Am 30. Januar 1956 wurde die Genehmigung für den Bau des (Sputnik) Satelliten erteilt. Der erfolgreiche Start am 4. Oktober 1957 um 19:28:34 GMT (5. Oktober Ortszeit) von einer großen Startrampe in Baikonur (heute: Kasachstan) überraschte daher alle Welt. (Text von wikipedia, Okt. 2012)

 Der Kapitän soll gegrinst und sofort die Order gegeben haben, die neue 220 Meter lange Manila mit mehr als 10 cm Durchmesser als Schleppleine auf der Back bereitzulegen und deren Übergabe an die Russen zu organisieren. Die Aussicht auf Wind war zu verlockend. Wegen meiner Freiwache bekam ich davon zunächst nichts mit, aber die Kunde verbreitete sich schnell. Kurz darauf war alles an Deck und bereit, mit anzupacken, denn alle noch stehenden Segel sollten geborgen und befestigt werden.

 

 

 Da die See fast ruhig war, konnte das eine Ende der Manila zügig auf der Fregatte befestigt werden. Dann steckten wir rund 150 Meter Leine aus und belegten die Leine auf einem Poller auf der Back an Steuerbord. Ganz langsam nahm die Fregatte Fahrt auf, bis die Leine gespannt war. Zunächst fuhren wird 5 Knoten, 10 Minuten später 10, dann 15 Knoten. Und es dauerte nicht lange, da zischten wir durch die See mit mehr als 23 Knoten. Der Fahrtwind erzeugte heulende Töne in der Takelage, und in der Nähe der Back hielt sich keiner mehr auf. Wenn die Leine jetzt reißt, sollte man weit weg sein. Alles ging gut, die Leine brach nicht! Kurz nach Mitternacht hatte wir die Beobachtungsposition erreicht. Die Schleppleine wurde losgeworfen und wir holten sie mit dem in Buenos Aires reparierten Ankerspill ein.

 Zwischenzeitlich waren wir instruiert worden, wonach wir Ausschau halten sollten. Solange es dunkel war, nach einem sich bewegenden Licht, sonst nach einem niedergehenden Fallschirm. Dann wurde eine Hälfte der „Suchmannschaft“ bis vier Uhr zum Schlafen geschickt, wozu ich gehörte. Als ich mit meiner Wache wieder an Deck kam, erfuhren wir von zahlreichen Meldungen über ungewöhnliche Lichterscheinungen und merkwürdigen Flugobjekten.

Als wir die Plätze in den Masten eingenommen hatten, ging das lustig so weiter. Da wurden feurige Raketen, unbeleuchtete Zigarren und fliegende Untertassen gesichtet, bis die Morgendämmerung einsetzte und diesen Spuk beendete. Schon sollte die Aktion ca. 90 Minuten später abgebrochen werden, was dem Kapitän wegen inzwischen guter Winde ganz recht gewesen wäre. Da erscholl vielstimmig der Ruf: „Sinkender Fallschirm mit Objekt in 12 Seemeilen drei Strich an Backbord!“ Auch unser Begleiter von der Roten Flotte erhielt die Nachricht, stürmte mit voller Fahrt auf das Objekt zu und verschwand sang- und klanglos für immer.

          Nie hätten wir erfahren, was sich abgespielt hatte, wäre unser Funker nicht besonders clever gewesen. Der hatte sich nämlich in den Funkverkehr unserer Weihnachts- und Filmgäste eingeschlichen. Dort hatte er die unglaubliche Meldung von (unserer) US-Fregatte an ihre Leitstelle in New Port, Maryland mitbekommen, dass sie die Russen mit einer in den Himmel geschossenen Satelliten-Attrappe geleimt hätten!    Die Russen brettern gerade auf den niedergehenden Fallschirm zu.

           Diese Meldung hatten wohl auch die Russen abgehört, denn die setzten kurz darauf diese Meldung an ihre Dienststelle ab:

    Haben verhindert, dass der Klassenfeind Erkenntnisse vom ersten Testflug des Sputnik hat. Die glauben, wir spinnen. Melden ferner, dass Besatzung wohl auf und hoch motiviert über den gelungenen Aprilscherz ist.“

            Das kommentierte unser Kapitän trocken:

„Aprilscherz? Wieso? Nun haben wir endlich Wind. Alle Mann an Deck! Setzt alle Segel! Kurs NNO, hart am Wind!“

 


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