Bericht 7: Segeln mit dem Passatwind

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Wir hatten die kälteren Gewässer des Nordatlantiks kaum hinter uns gelassen, da wurde an allem gehandwerkt, was sich putzen, rostklopfen, bemalen und auswechseln ließ. Holzdeck schrubben und ölen, Rost klopfen und dann mit mehreren Anstrichen neu konservieren, Taue und Drahtseile auswechseln.

Mit Erreichen der klimagemäßigten mittleren Breiten stand auch ein kompletter Segelwechsel an. Die Wintersegel mussten gegen die Sommersegel ausgetauscht werden, wobei die Sommersegel nichts anderes als alte Wintersegel waren. Anders ausgedrückt ging es darum, die neueren Segel vor einem frühzeitigen Alter in Sonne und Wind zu bewahren. Das versucht der reifere Mensch ja auch so zu halten.

Der Austausch dauerte tagelang. Das Wintersegel abgeschlagen und in der Segelkoje verstaut, den Sommersatz aus dem Stauraum gezerrt, in die jeweilige Rahhöhe gehievt und mit Bändseln an die Rah angeschlagen. Das wurde mit vom Segelmacher Jonas gesungenen Balladen von der Oberbram am Großmast begleitet. Jeweils in die Richtung, wo ein Segel angeschlagen wurde, formte er mit beiden Händen einen Trichter zu den an der Rah arbeitenden Topgästen. Die Matrosen und Leichtmatrosen, die viele Texte schon kannten, stimmten ein. Wir Boys bemühten uns mitzuziehen. Nur den Text habe ich bisher behalten

Oh Neptun, Du der das Meer beherrscht,

mit Sonne und Wasserdampf die Winde erstellst,

die uns beflügeln zu gehen von Ort zu Ort,

doch wenn Du zu viel bringst, ist es Mord.

Drum würdige unser Tun und Schaffen

als Dir gewidmet von Deinen……

(für mich sehr undeutlich, entweder Knappen oder Affen)

 



 

 Da das Segelaustauschen Vorrang vor allen anderen Arbeiten hatte, mussten die Neulinge alle Handgriffe schnell erlernen.

Seit Tagen war es immer sommerlicher geworden. Jetzt begünstigte uns der gleichmäßig aus dem Nord-Osten kommende Wind, mit dem schon Kolumbus Amerika fand. Da wollte ich auch hin. Seiner 100 Tonnen großen Santa Maria mit vielleicht 100 Quadratmeter Gesamtsegelfläche standen unsere 3.102,87 BRT und eine Segelfläche von 3.600 m² gegenüber, die uns stündlich gut 8 Seemeilen der brasilianischen Küste näher brachte.

Den Wind im Rücken, bei leichten Wolken unter blauem Himmel, schoben wir mit unserer Schiffslänge von 114,50 m  und einem Tiefgang um die 6,50 m (max. 7,16 m) eine rauschende Bugwelle vor uns her, von der mehrere Dutzend Delphine angelockt wurden, die in Scharen wie ein hoch motiviertes Ballettensemble tolle Sprünge in Reih und Glied vorführten. Dabei leuchteten ihre  fröhlichen Augen. Wir Zuschauer waren so gerührt, dass wir zunächst die vielen fliegenden Fische nicht  bemerkten, die auf Deck landeten und aus eigener Kraft nicht wieder abheben konnten.  Darum kümmerten wir Azubis uns. Putzig war es, einen aufgesammelten Fliegenfisch wie einen Papierflieger in die Luft zu halten und mit einem kleinen Schubs zum Fliegen zu bringen. Das gelang aber nur, wenn die Fische nicht länger als 8-12 Minuten an Deck und nicht in der Sonne gelegen hatten. Wir sammelten immer so viele ein, wie wir in beiden Händen halten konnten und warfen sie in Lee mit besten Wünschen über die Schiffsreling.

Ob an dem Gemunkel was dran war, dass viele Kabineninhaber ihre Bullaugen aufließen und die in ihren Kammern gelandeten Fische konspirativ von dem Kochsmaat für den Verzehr zubereiten ließen, vermag ich nicht zu sagen. Manchen würde ich es zutrauen, dass sie lieber einen Fisch im Bauch hätten als einen Fliegenfisch wieder zum Fliegen zu bringen.    

 Abends saßen die Freiwachen bei milden Temperaturen auf Luke 3 und sangen schwermütige Seemannslieder, die eine sanfte Brise hinaus auf die See trug. Den Fliegenfischen schien es zu gefallen, denn sie überflogen uns immer mal wieder in Scharen.

PAMIR – 1930, Clip 2

Ludwig van Beethoven
Sonata op 120, Var. XXXIII
Tempo di Menuetto moderato (3:40m)


 


Zu Bericht 8

Zu allen Berichten Teil I




 



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Arnd B. Arnd

 PAMIR

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Berichten des

Schiffsjungen

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