Wir hatten die kälteren Gewässer des Nordatlantiks kaum
hinter uns gelassen, da wurde an allem gehandwerkt, was sich putzen,
rostklopfen, bemalen und auswechseln ließ. Holzdeck schrubben und ölen, Rost
klopfen und dann mit mehreren Anstrichen neu konservieren, Taue und Drahtseile
auswechseln.
Mit Erreichen der
klimagemäßigten mittleren Breiten stand auch ein kompletter Segelwechsel an.
Die Wintersegel mussten gegen die Sommersegel ausgetauscht werden, wobei die
Sommersegel nichts anderes als alte Wintersegel waren. Anders ausgedrückt ging
es darum, die neueren Segel vor einem frühzeitigen Alter in Sonne und Wind zu
bewahren. Das versucht der reifere Mensch ja auch so zu halten.
Der
Austausch dauerte tagelang. Das Wintersegel abgeschlagen und in der Segelkoje
verstaut, den Sommersatz aus dem Stauraum gezerrt, in die jeweilige Rahhöhe
gehievt und mit Bändseln an die Rah angeschlagen. Das wurde mit vom Segelmacher
Jonas gesungenen Balladen von der Oberbram am Großmast begleitet. Jeweils in
die Richtung, wo ein Segel angeschlagen wurde, formte er mit beiden Händen
einen Trichter zu den an der Rah arbeitenden Topgästen. Die Matrosen und
Leichtmatrosen, die viele Texte schon kannten, stimmten ein. Wir Boys bemühten
uns mitzuziehen. Nur den Text habe ich bisher behalten
Oh Neptun, Du der das Meer
beherrscht,
mit Sonne und Wasserdampf die Winde
erstellst,
die uns beflügeln zu gehen von Ort
zu Ort,
doch wenn Du zu viel bringst, ist
es Mord.
Drum würdige unser Tun und Schaffen
als Dir gewidmet von Deinen……
(für
mich sehr undeutlich, entweder Knappen oder Affen)
Da das
Segelaustauschen Vorrang vor allen anderen Arbeiten hatte, mussten die Neulinge
alle Handgriffe schnell erlernen.
Seit
Tagen war es immer sommerlicher geworden. Jetzt begünstigte uns der gleichmäßig
aus dem Nord-Osten kommende Wind, mit dem schon Kolumbus Amerika fand. Da
wollte ich auch hin. Seiner 100 Tonnen großen Santa Maria mit vielleicht 100 Quadratmeter Gesamtsegelfläche
standen unsere 3.102,87 BRT und eine Segelfläche von 3.600 m² gegenüber, die
uns stündlich gut 8 Seemeilen der brasilianischen Küste näher brachte.
Den Wind im Rücken, bei leichten Wolken unter blauem
Himmel, schoben wir mit unserer Schiffslänge von 114,50 m und einem Tiefgang um die 6,50 m (max. 7,16
m) eine rauschende Bugwelle vor uns her, von der mehrere Dutzend Delphine
angelockt wurden, die in Scharen wie ein hoch motiviertes Ballettensemble tolle
Sprünge in Reih und Glied vorführten. Dabei leuchteten ihre fröhlichen Augen. Wir Zuschauer waren so
gerührt, dass wir zunächst die vielen fliegenden Fische nicht bemerkten, die auf Deck landeten und aus
eigener Kraft nicht wieder abheben konnten.
Darum kümmerten wir Azubis uns. Putzig war es, einen aufgesammelten
Fliegenfisch wie einen Papierflieger in die Luft zu halten und mit einem
kleinen Schubs zum Fliegen zu bringen. Das gelang aber nur, wenn die Fische
nicht länger als 8-12 Minuten an Deck und nicht in der Sonne gelegen hatten.
Wir sammelten immer so viele ein, wie wir in beiden Händen halten konnten und
warfen sie in Lee mit besten Wünschen über die Schiffsreling.
Ob an
dem Gemunkel was dran war, dass viele Kabineninhaber ihre Bullaugen aufließen
und die in ihren Kammern gelandeten Fische konspirativ von dem Kochsmaat für
den Verzehr zubereiten ließen, vermag ich nicht zu sagen. Manchen würde ich es
zutrauen, dass sie lieber einen Fisch im Bauch hätten als einen Fliegenfisch
wieder zum Fliegen zu bringen.
Abends saßen die Freiwachen bei milden
Temperaturen auf Luke 3 und sangen schwermütige Seemannslieder, die eine sanfte
Brise hinaus auf die See trug. Den Fliegenfischen schien es zu gefallen, denn
sie überflogen uns immer mal wieder in Scharen.
PAMIR – 1930, Clip
2
Ludwig
van Beethoven
Sonata
op 120, Var. XXXIII
Tempo
di Menuetto moderato (3:40m)
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